Die bessere Mittelklasse. Für Kawasaki sind 600 Kubik was für Anfänger und Potenzberuhigte. In einer Z sind jetzt mindestens 806 Kubik.
Es ist immer ein Griss um die Dauertester in der Firma. sobald das Ende der Saison näher rückt und die ersten Neuheiten bekannt gegeben werden, geht der Psychokrieg los. Dabei wird selten ein vorsichtiger, im Konjunktiv formulierter und nur zufällig halblaut ausgesprochener Wunsch in die Runde geworfen, sondern wie beim Kartendippeln fest mit der Hand auf den Tisch gedroschen. "DIE will ich haben! Oida ich freu mich scho", stellt plötzlich jemand aus der Runde fest. Dabei ist es keineswegs so, dass bei 1000PS das Recht des Stärkeren oder Älteren gilt, also meins. Es gilt eigentlich gar kein Recht, denn es gibt eine Person, die Judge, Jury und Executioner von Anfang an in sich vereint hat: NastyNils. Und für den ist Recht, was ihm gerade recht ist.
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So passiert es dann auch, dass ein Welteisen wie die Kawasaki Z800 einem Kameramann zugesprochen wird, der im Spätsommer 2012 seinen Führerschein gemacht und gerade die ersten Gehversuche mit Feuerstühlen wie einem Honda Lead oder Kymco Like 125 überlebt hat. Und da werd' ich als ältest gedienter 1000PS-ler heiss, das kann ich euch sagen. Denn während ich hier im finsteren Monaco sitze und mich abends durch ein Gourmet-Menü am Yachthafen quälen muss, nur, um die ersten Z800 Modelle an der Cote d'Azur ein Wochenende lang zu testen und dann in stundenlanger Schwerstarbeit darüber zu schreiben, darf der Videomann zu Hause bleiben und trotzdem das begehrte Nakedbike im Frühjahr bei wohlig warmen Temperaturen ausfassen und bis September bei sich behalten. Bei vollen Bezügen, Kost und Logis, d.h. er darf jederzeit im Büro schlafen. (Die Testfahrt sollte tatsächlich eine Fahrt durch die Hölle werden.)
Böser Blick, der beste aller Z-Modelle bisher. Die Krümmer sollten eigentlich glänzend poliert sein.
Ich kann mich noch gut an mein erstes Motorrad erinnern, eine himmelblaue Honda CBF600 mit 72 PS. Ein Motorrad, das so brav wirkte, als könnte es keiner StVO der Welt etwas zuleide tun. Dabei war ich schon damals so ein eisenharter Anarcho-Rocker. Aber ich wusste eben, was mir zustand, und - noch wichtiger - was mir zuzumuten war. Die Cyberpsychos und Computerfreaks aus der Generation WoW wissen das scheinbar nicht mehr. Denn die 113 PS starke Z800 mit einem Hubraum von 806 Kubik und einem maximalen Drehmoment von 83 Nm ist weit enfernt von einem Einsteiger- und Wiedereinsteigermotorrad, wie es zum Beispiel auch ER-6n oder Ninja300 sind; sogar weit entfernt von den heute eigentlich schon überholten Drehorgel-Nakedbikes der 600er Klasse, die in den letzten Jahren mehr und mehr von der neuen Mittelklasse wie Kawasaki Z750, Yamaha FZ8 oder Suzuki GSR750 verdrängt wurden.
Aber die Z800 schaffte es nach und nach, mich zu beruhigen. Es gibt eben bei schlechten Wetter- und Gripverhältnissen nichts Vertrauenserweckenderes, als ein geschmeidiger, elastischer Vierzylinder mit präziser, gleichmässiger Kraftentfaltung. Die Leistung von 113 PS und die Abstimmung stellten sich als ideal heraus. Auch die Bremsen sind so transparent und berechenbar, wie man sich das wünscht. Nicht zu empfindlich, aber bärenstark, wenn man ganz ungewollt doch zuviel Geschwindigkeit aufgenommen hat. Die 7 PS und 5 Nm mehr gegenüber der Z750, die es ab sofort nicht mehr geben wird - seit 2004 wurden über 158.000 Stück verkauft (!) - wirken sich deutlicher aus, als man vemuten würde. Der um 1 Kilo leichtere Aluguss-Motor mit überarbeiteten Ein- und Auslasskanälen und um 10% leichteren Kolben überträgt seine Kraft über ein kurz übersetztes 6-gang Getriebe auf die Strasse. Bis zum sechsten Gang zieht man sauber und ohne irgendwelche störenden Unregelmässigkeiten im Drehmomentverlauf durch. Nur ab 140 im letzten Gang merkt man, dass mit einer Tausender noch einiges mehr geht, das ist aber für die meisten Nakedbike-Fahrer uninteressant, einen Gang runter und Wiederschau'n.
Technische Daten Kawasaki Z800
Motor | |
Typ | Flüssigkeitsgekühlter Reihenvierzylinder |
Hubraum | 806 ccm |
Bohrung x Hub | 71 mm x 50,9 mm |
Verdichtung | 11,9 : 1 |
Nennleistung | 113 PS bei 10.200 U/min. |
Max. Drehmoment | 83 Nm bei 8.000 U/min. |
Starter | Elektrisch |
Fahrwerk | |
Rahmentyp | Doppelschleifen-Stahlrohr |
Abmessungen (LxBxH) | 2.100 mm x 800 mm x 1050 mm |
Radstand | 1.445 mm |
Sitzhöhe | 834 mm |
Tankinhalt | 17 l |
Gewicht | 229 kg |
Bremsen vorne | zwei Scheiben, 310 mm Ø, Vierkolben-Bremszangen, ABS optional |
Bremsen hinten | eine Scheibe, 250 mm Ø, Einkolben-Bremszange |
Fahrwerk vorne | 41-mm-Upside-Down-Gabel, Zugstufendämpfung und Federvorspannung einstellbar |
Fahrwerk hinten | Bottom-Link Uni-Trak mit Gasdruck- Federbein, Zugstufendämpfung und Federvorspannung einstellbar |
Text: 1000ps
Fotos: Kawasaki